CfP „Technik“ – Themenheft der Zeitschrift „Body Politics. Zeitschrift für Körpergeschichte“

Die Zeitschrift „Body Politics“ plant für 2018 ein Sonderheft zu Technik und deren Verhältnis zu Körperlichkeit zu untersuchen. Explizit angesprochen wird dabei die Digitalgeschichte in Hinblick auf die Computerisierung der Arbeitswelt. Hier fordern die Autoren zu Recht, ein Verlustnarrativ zu überwinden und neue Perspektiven zu erforschen. Abstracts können bis zum 15. Februar bei der Redaktion eingereicht werden.

Der vollständige Call for Papers:

Call for Papers für ein Themenheft „Technik“ der Zeitschrift „Body Politics. Zeitschrift für Körpergeschichte“
Deadline für Abstracts: 15. Februar 2017

Themen der Körpergeschichte und Technikgeschichte überschneiden sich an einigen zentralen Stellen. Ausgangsüberlegung des geplanten Heftes der Zeitschrift Body Politics zum Thema „Technik“ ist ein grundsätzlich hybrider – also technisierter – Körper der Moderne. Auf dieser Basis gilt es, den Körper und seine jeweilige Gestaltung zu analysieren.

Seit Anson Rabinbachs Pionierstudie zur Wirkungsmächtigkeit der Metapher vom Human Motor (1990) haben sich in der historischen Forschung zum Verhältnis von Körper und Technik vor allem Ansätze etabliert, die historisch-spezifische Formen des Körperverständnisses und der Körperrepräsentation untersuchten. Dabei stellten grundlegende Studien bisher in erster Linie ideengeschichtliche Fragen nach etwaigen Wendepunkten im Mensch-Maschinen-Verhältnis, z.B. ab wann von „cyborgs“ oder „artifiziellen Körpern“ die Rede sein könne. Demgegenüber bleibt in vielen Forschungsarbeiten sowohl der Körper- als auch der Technikgeschichte vergleichsweise unberücksichtigt, wie sich technisierte Körper-Praktiken in ihren komplexen (und geschlechtsspezifischen) Verstrickungen mit dem individuellen technisierten Umfeld konkret gestalteten.

Das geplante Themenheft setzt hier an und möchte den als Schnittstelle zwischen dem Technologischen und dem Humanen gedachten Körper in seinen alltäglichen Praktiken in den Blick nehmen. Es ist unser Anliegen, die bisherigen Forschungsansätze der Körper- und Technikgeschichte aufzugreifen und methodisch wie auch empirisch zu erweitern: Insbesondere der alltagsgeschichtliche und nutzerorientierte Zugriff auf das Thema eröffnet vielversprechende Möglichkeiten, Körper-Technik-Interaktionen auf der Mikroebene zu durchdringen. Neue Impulse wären beispielsweise im Forschungsfeld der Computerisierung der Arbeitswelt zu erwarten, wenn die Rolle von individuellem verkörpertem Erfahrungswissen in voranschreitenden Technisierungsprozessen thematisiert werden würde. Bisher dominiert hier ein reines Verlustnarrativ, das es zu hinterfragen gilt.

Beiträge können Themen vom 19. bis zum 21. Jahrhundert behandeln und verschiedenen analytischen Herangehensweisen folgen, die entweder technikgeschichtliche Perspektiven in die Körpergeschichte einbringen oder körpergeschichtliche Perspektiven für die Technikgeschichte stärken. Uns interessieren dabei gleichermaßen die Bereiche von Arbeit, Haushalt und Freizeit. Untersuchungsachsen können beispielsweise körpergebundenes Erfahrungswissen, die Prägung körperlicher Erfahrung durch Technik oder die Eigendynamiken und Widerstandsfähigkeiten von Körper und Technik sein. Beispiele für mögliche Themenbereiche wären u.a.:

– Im Feld der Reproduktionstechnologien (Kontrazeptiva, künstliche Befruchtung) ließe sich untersuchen, wie über alltägliche Körper-Praktiken neue kulturelle Vorstellungen von Körperlichkeit entstehen, die eine Akzeptanz von Technisierungsprozessen befördern; oder wie Unterschiede in der Aneignung von Technik (in ihren geschlechtsspezifischen Bezügen) auf die Normierung und Standardisierung bestimmter Verfahren und Apparaturen zurückwirkten. Wesentliche Veränderungen im menschlichen Selbstverständnis einer natürlichen Körperlichkeit lassen sich jenseits historischer Diskurse gerade auf praxeologischer Ebene rekonstruieren.

– Die Visual History (oder auch Sound Studies) bieten methodische Zugangsweisen, den Körper als Instrument der alltäglichen Selbstinszenierung zu analysieren. Auf diese Weise ließe sich Anschluss zur Geschichte der Subjektivierung herstellen.

– In Anlehnung an systemische Zugänge der Techniksoziologie und -geschichte wären im Sinne eines nutzerzentrierten Ansatzes technische Systeme in den Blick zu nehmen, die sich in der Moderne in zunehmend komplexeren Netzstrukturen um den Körper strickten. So thematisierte Bernward Joerges den Aufbau eines überregionalen technischen Systems der Transplantationsmedizin, das mit seinem weitreichenden Netzwerk der Transport- und Kommunikationstechnik wie auch der Datenverarbeitung mit Körper-Praktiken und Körperwahrnehmungen interagiert – und Körperlichkeit letztlich auch verändert.

– Die Technisierung der Dienstleistungstätigkeit seit dem 20. Jahrhundert bietet zahlreiche körpergeschichtliche Anschlussmöglichkeiten. Auch in der Populärkultur fand dieses Phänomen seinen Ausdruck: Das Äquivalent zur Körper-Technik-Interaktion von Charles Chaplins Fließbandarbeiter (Moderne Zeiten, 1936) war Jerry Lewis’ ebenso bekannter Maschinenschreiber (Die Ladenhüter, 1963).

– Überwachungs- und Disziplinartechnologien weisen beispielweise in Form der elektronischen Fußfessel einen direkten Kontakt zum Körper auf. Aber auch ältere Formen von Überwachungstechnologien – seien es panoptische architektonische Modelle oder festinstallierte Videokameras – sind für körpergeschichtliche Fragestellungen relevant. Zu untersuchen wären die jeweiligen historischen Erscheinungsformen von technisierten Körpern der Moderne und die mit ihnen verbundenen Machtpraktiken, wie Disziplinierung, Subjektivierung und (Selbst-)Optimierung.

– Jenseits des menschlichen Körpers bietet sich die Technisierung des Tierkörpers als Untersuchungsgegenstand an: von gechipten Haustieren bis hin zu hochgezüchteten Nutztieren der Landwirtschaft (z.B. Turbokühe). Die technische Modifizierbarkeit tierischer Körper wirkt dabei auch auf Vorstellungen von menschlicher Körperlichkeit zurück.

Zur Zeitschrift Body Politics – Zeitschrift für Körpergeschichte:

Die Körpergeschichte hat in den vergangenen zwanzig Jahren enorm an wissenschaftlicher Aufmerksamkeit gewonnen und eine bemerkenswerte Ausweitung erfahren. Die Zeitschrift Body Politics versucht diese Entwicklung in ihrer Facettenvielfalt abzubilden und weiter voranzutreiben (http://bodypolitics.de/ <http://bodypolitics.de/>). Als Online-Journal veröffentlicht sie Artikel in deutscher und englischer Sprache, die ein beidseitig anonymisiertes Peer Review durchlaufen haben. Alle Beiträge erscheinen kostenfrei im Open Access.

Organisation:

Die Herausgeber des Themenheftes PD Dr. Karsten Uhl (Helmut-Schmidt-Universität Hamburg) und Dr. des. Christian Zumbrägel (Bergische Universität Wuppertal) bitten um die Einreichung von Themenvorschlägen für deutsch- oder englischsprachige Beiträge mit kurzen Abstracts im Umfang von max. 400 Wörtern bis zum 15. Februar 2017 an zumbraegel@uni-wuppertal.de <mailto:zumbraegel@uni-wuppertal.de> und uhlk@hsu-hh.de <mailto:uhlk@hsu-hh.de>. Der weitere Zeitplan sieht eine Fertigstellung der Artikel bis zum 1. August 2017 vor. Ggfs. ist ein vorbereitender Workshop im Juli vorgesehen, im Rahmen dessen die angenommenen Beitragenden die zuvor zirkulierten Arbeitspapiere präsentieren und diskutieren. Die Veröffentlichung des Themenhefts ist für Anfang 2018 geplant.

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