Martin Schmitt

Die Geschichte des Internet

Welche Narrative gibt es zur Geschichte des Internet? Am Samstagnachmittag interviewte das Deutschlandradio Kultur unseren Projektmitarbeiter Martin Schmitt, M.A. zu dieser Frage, die an der Schlüsselstelle des Aufbruchs in die Informationsgesellschaft liegt. Der kurze Beitrag wird am Mittwoch, dem 17. Juni 2015 zwischen 19:07 Uhr und 19:30 Uhr in der Sendung „Zeitfragen. Kultur und Gesellschaft“ zu hören sein.

Martin Schmitt schrieb am Seminar für Zeitgeschichte der Universität Tübingen seine Abschlussarbeit zur Frühgeschichte des Internet als kybernetischem System bei Prof. Anselm Doering-Manteuffel und Prof. Klaus Gestwa. In seiner Arbeit verband er die militärischen Ursprünge im ARPANET mit den wissenschaftlichen und gegenkulturellen Interesse der an der Entwicklung der Technologie beteiligten Akteure, die bis heute spürbar sind.

UPDATE: Der Beitrag ist seit gestern Abend auf der Webseite des Deutschlandradio Kultur „MILITÄR ODER GEGENKULTUR? Wer die Anfänge des Netzes prägte“ und als Podcast verfügbar.

 

Autor: Martin Schmitt

Bildrechte: Creative Commons Lizenzvertrag Martin Schmitt am Funkhaus Berlin von Martin Schmitt ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Nicht-kommerziell – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.

Computerisierung auf der Langen Nacht der Wissenschaften

Über Wissenschaft in der Öffentlichkeit und unser Forschungsprojekt bei der „klügsten Nacht des Jahres“ in Berlin. Von Martin Schmitt

Auf der Langen Nacht der Wissenschaften, die am Sonntag dem 13. Juni in Berlin und Potsdam stattfand, stellte unsere Projektmitarbeiterin Julia Erdogan der interessierten Öffentlichkeit unser Gesamtprojekt und ihr Teilprojekt zu den Hackern in Deutschland vor. Im historischen Gebäude des Naturkundemuseums, in dem sich die Institute der Leibniz Gemeinschaft präsentierten, verdeutlichte sie die historische Entwicklung von Hackern und deren öffentlicher Wahrnehmung zwischen Watchgroup und krimineller Bedrohung. Es gelang den Hackern in Deutschland seit den 1980er-Jahren durch zahlreiche öffentlichkeitswirksame Aktionen nicht nur, auf die Sicherheitslücken der Computersysteme aufmerksam zu machen, sondern zugleich dazu beizutragen, die positive Schaffenskraft des Computers in einer demokratischeren Gesellschaft zu etablieren. Zerstörerische Elemente der Hackerhandlungen deutete Julia Erdogan mit Schumpeter als konstruktiver Erneuerungsfaktor und damit als kreatives Element. Hacker seien bis heute eine sehr heterogene Gruppe, welche die Lust am Handeln mit und durch den Computer charakterisiere.

Neben Fragen zur generellen Ausrichtung des Projektes identifizierten sich das Publikum stark mit der historischen Computerentwicklung und schwelgte in Erinnerung an die erste verschickte Mail und den ersten Computer. Aber auch kritischere Fragen bewegten die anwesenden Bürger und Bürgerinnen: Wie viele Hacker gab es denn überhaupt in Deutschland? Und wie war ihre Situation in der DDR? Gab es einen Linux-Zwang unter den Hackern, also folgten sie nicht selbst einer normierenden, standardisierenden Subkultur?

Julia Erdogan und mit ihr das Projekt zur Computerisierung in BRD und DDR erzeugten ein großes öffentliches Interesse und trugen zu einer gelungenen langen Nacht der Wissenschaften in Berlin bei, auf der sich die Wissenschaft in all ihren Facetten zeigte. Zu sehen waren computertechnologischen Neuerungen in den T-Labs der TU Berlin über die vielfältigen Erfahrungsangebote wissenschaftlicher Produkte wie in der Hochspannungshalle des Institutes für Energie- und Automatisierungstechnik oder den Berliner Bibliotheken bis hin zu Science Slams als locker aufbereitete Ergebnispräsentation.

Höhepunkte der Langen Nacht war dann neben dem Feuerwerk der gemeinsame Science Slam der TU Berlin, der UDK und der HDK im komplett vollen Audimax der TU-Berlin. Ihn gewann der spontan eingesprungene Tobias Hölzer mit einem humorigen Slam über die Zukunft des Computings. Er zeigte an Hand einer Dating-Situation zwischen Mann und Frau die Funktionsweisen moderner Quantencomputer. Aus Computerisierungs-Perspektive war daran vor allem die Annahme spannend, die gesamte soziale wie auch physische Welt als berechenbar anzusehen – wenn man nur den ausreichend leistungsfähigen Computer dazu hat. Die Forschung an den Quantencomputern stehe noch sehr am Anfang, betonte Hölzer. Aber die Entwicklungen seien rapide. Als Anwendungsgebiete sieht er vor allem Big-Data-Suchen, ausgefeilte Simulationen der Welt, bis hin zu unknackbarer Kryptografie, beispielsweise für Geheimdienste. Es ist spannend, was in den nächsten Jahren hier auf uns und die Gesellschaft zukommen.

Insgesamt besuchten fast 27.000 Besucher die Lange Nacht der Wissenschaften in Berlin. Sie bekamen einen Einblick in die Welt der Wissenschaften, der ihnen all zu häufig verschlossen bleibt und nahmen ein Stück der Begeisterung mit nach Hause, mit der vor allem die jungen Wissenschaftler mit leuchtenden Augen von ihren Projekten erzählten.

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Autor: Martin Schmitt
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Creative Commons Lizenzvertrag
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Martin Schmitt, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Zeithistorische Forschung im Studio des RBB.

Wie verändern Technologie-Unternehmen die Bankbranche?

Eine historische Perspektive.

Die Bankenwelt ist in Aufruhr. Neue Akteure wie der Finanzdienstleister Paypal oder FinTech-Startups treten auf die Bühne des Bankwesens. Ganz zu schweigen von Technologieschwergewichten wie Apple und Google, die mit ihren Bezahlsystemen Apple Pay und Google Wallet den Markt für bargeldlose Zahlungsvorgänge zu erobern versuchen, denn Sie sind mit den Smartphones näher, mobiler und jederzeit am Kunden als so manche Bank. Das Bankwesen ist dabei allerdings ein hochreguliertes Feld, der Markteintritt fällt den meisten Unternehmen schwer. Schwerer als in anderen Branchen, wie dem Buchmarkt, auf dem das Internetunternehmen Google mit seinem Vorpreschen der Buchdigitalisierung Fakten schuf und auch schwerer als es Uber oder AirBnb auf ihren jeweiligen Märkten fiel.

Welche Gründe das hat, wie die Entwicklungen in einer historischen Perspektive der Vorgeschichte unserer Gegenwart einzuordnen sind und welche Auswirkungen das auf den Kunden hat, erklärt unser Mitarbeiter Martin Schmitt heute ab 19 Uhr auf BR2 im Szenemagazin „Zündfunk“.

Der Beitrag ist 7 Tage nachhörbar unter: „Über das Ende der Geldbörse“ http://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/zuendfunk/ueber-das-ende-der-geldboerse-finnischer-film-my-stuff-im-kino-was-macht-eigentlich-der_x-100.html

Foto: Martin Schmitt.

Logo der Bundespost verballhornt als Posthörnchen (statt Posthörnchen)

BTX-Hack am 17.11.1984: Angriff der CCC-Hacker auf die Deutsche Bundespost

Vor 30 Jahren gelang es zwei Hackern des Chaos Computer Clubs (CCC) über das neue Kommunikationsnetz BTX der Hamburger Sparkasse eine empfindliche Geldsumme zu entwenden, um auf die Sicherheitslücken des Systems hinzuweisen. In Vorbereitung des Jahrestages publizierte unsere Projektmitarbeiterin Julia Erdogan einen Artikel zum Hack in der Zeitgeschichtssparte des Online-Leitmediums Spiegel ONLINE.

Jahrestage haben derzeit Konjunktur in Deutschland. Gerade erst wurde in Berlin mit einer Lichtinstallation dem Mauerfall vor 25 Jahren gedacht, schon jährt sich ein weiteres Ereignis jüngster deutscher Zeitgeschichte, das vielleicht nicht für jeden Bürger präsent ist. Am 17.11. jährt sich der BTX-Hack zum dreißigsten Mal. Mit dem BTX-System, das mit einer Kombination aus dem Fernsehgerät und einem Modem bedient wurde, wollte die Deutsche Bundespost Anfang der 1980er-Jahre Datennetzwerke auch endlich in Deutschland der Breite der Bevölkerung zugänglich machen.
Der Hack des Systems offenbarte nicht nur die eklatanten Schwächen der stark zentralisierten Architektur des Netzwerkes BTX. Es brachte mit einem Schlag eine gesellschaftliche Gruppe in das mediale Rampenlicht, die in unserer technisierten Gesellschaft bis heute Bedeutung hat: Der Chaos Computer Club. Er gilt seitdem als eine computertechnische Watchgroup für die Entwicklung und Nutzung digitaler  Technologien und bleibt ein steter Mahner im Strom gedankenlos-euphorischer Computeradaption. Julian Erdogan schildert in ihrem Artikel in präziser Weise den Ablauf des Hacks, seine umstrittene Interpretation und dessen mediale Nachwirkung. Sie kommt zu dem Schluss:

Entscheidend war, dass durch den Hack das Thema Datensicherheit in BTX in der Öffentlichkeit diskutiert wurde. […] Der CCC allerdings, der seit September 1981 als loses Netzwerk existiert hatte, konnte sich nach dem Vorfall zunehmend als Institution etablieren. Hacker des CCC wurden zu gefragten Experten in puncto Datensicherheit.

Julia Erdogan: Der legendäre Klack-klack-Hack. In: Spiegel Online vom 13.11.2014. URL: http://www.spiegel.de/einestages/btx-hack-1984-angriff-der-ccc-hacker-gegen-die-bundespost-a-1002443.html [Abgerufen am 13.11.2014 um 18:39]

 

Bildquelle: Reinhard Schrutzki

Statue im Park Sanssouci

Frank Bösch im TAZ-Interview: „Big Data erfordert andere Fragen“.

Im Digitale Zeitalter fallen eine riesige Menge unterschiedlicher Daten in kürzester Zeit an. Produziert werden sie von den verschiedensten Akteuren, von Unternehmen über Wissenschaftler bis hin zu den Maschinen selbst. Welche Auswirkungen hat „Big Data“, wie das Phänomen auch genannt wird, für den quellensuchenden Historiker in der Post-Snowden Ära? Unser Projektleiter Prof. Dr. Frank Bösch gab dazu in TAZ ein Interview mit dem Titel: „Big Data erfordert andere Fragen“ (als PDF abrufbar). Sein klares Statement:

Die Rückkehr zur Schriftlichkeit mit der Verbreitung der digitalen Kommunikation, E-Mails etc. bedeutet für die Geschichtswissenschaft zunächst einmal eine Verbesserung, weil viel von der mündlichen Kommunikation […] verschriftlicht wird. [Der neue] Selbstdarstellungsdrang, der immens viel Gedrucktes produziert […] erfordert andere Fragestellungen, nicht mehr alles Überlieferte zu lesen, Arbeiten mit Stichworten und digitalen Suchstrategien, um Begriffe und Themen rauszusieben.

Das Interview ist auch online unter dem Titel „Historiker über Archive und Überwachung„.

Bildrechte: © Martin Schmitt

ARD-alpha sendet Historyslam am 21.10 um 19 Uhr

Auf dem 50. Deutschen Historikertag, der vom 23.-26.09.2014 in Göttingen stattfand, gewann unserer Projektmitarbeiterin Julia Erdogan den Publikumspreis des History Slams. ARD-alpha sendet nun am 21.10.2014 um 19:00 Uhr einen Beitrag über den History Slam mit dem Titel „Historiker, Hacker und Heimwerker“. ARD-alpha ist der Bildungskanal der ARD und per Livestream im Internet frei zu empfangen. Zudem ist der Sender digital flächendeckend in Deutschland über das Kabelnetz und auch über Satellit und IPTV empfangbar. Nach der Ausstrahlung ist der History Slam in der Mediathek verfügbar.

Bildrechte: By Bayrischer Rundfunk (selfmade with Inkscape) [Public domain], via Wikimedia Commons. Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AARD_alpha.svg

Ein Handlocher der Firma LAMPERTZ, der "PDA der 1950er-Jahre"

Vintage Computing Festival Berlin

Lochkarten lochen, Computerspiele spielen und Assemblercode coden. Beim Vintage Computing Festival VCFB, das vom 3. – 5. Oktober im Berliner Pergamon-Palais stattfand, konnte man am Wochenende in die Zeit eintauchen, als Computer noch verstanden und nicht nur bedient werden wollten. Die Veranstalter, der Verein afra und der Lehrstuhl für Medientheorie der HU Berlin, hatte ein umfangreiches Programm zusammengestellt, dass von Vorträgen über Bastel- und Lötecke bis hin zu einer Führung durch die Medientechnische Sammlung der HU reichte. Sie boten den interessierten Besuchern, vom Studenten, Zeitzeugen über jungen Familien bis hin zu dem Computerexperten, einen Überblick über die zahlreichen Verwendungsweisen alter Rechenanlagen, Computer und Modems.

Ein Handlocher der Firma LAMPERTZ, der „PDA der 1950er-Jahre.“ Foto: Martin Schmitt

„Die Zeit der Lochkarten war eine Zeit der Datensparsamkeit“, so Hans Franke, Initiator des des Vintage Computing Festivals. Ursprünglich Energiananlagenelektroniker, sattelte er früh auf das Programmieren um. In diesem Jahr führte er einen LAMPERTZ Handlocher vor, den „PDA der 1950er-Jahre“, so Franke, auf der ein Manager die Lochungen seiner Mitarbeiter kontrollieren und korrigieren konnte. Auf dem VCF konnten die Besucher mit ihm auf eigene Lochkarten lochen, was ihnen gerade einfiel. Die meisten gingen freudestrahlend mit einer Lochkarte nach Hause, auf der ihr Name codiert war. Die Daten eines Münchner Bürgers, erklärte Franke beispielsweise, mussten auf ein bis zwei Lochkarten passen, sodass nur die notwendigsten Daten erhoben wurden. Für mehr war schlicht kein Platz.

Datensparsamkeit gilt zwar heute noch immer als gute Programmierkunst. In Zeiten von Big Data und dem immer stärkeren Wunsch ubiquitärer Speicherbarkeit wird dies allerdings nur zu oft ignoriert. Welche Tücken die Technik bot, konnten Menschen berichten, deren neuer Doppelname nach der Hochzeit schlicht zu lang für die Verwaltung mit dem Computer war. Es ist ein gutes Beispiel für die Vorgaben, die einerseits aus den Limitationen der Technologie, aber andererseits auch aus der menschlichen Interpretation dieser Begrenzungen heraus resultieren. Auf größerer Ebene gaben diese Einschränkungen beispielsweise vor, was von einem Verdächtigen in den 1970er-Jahren gespeichert wurde, welche Daten für die Ermittlung der Rente erfasst oder welche Vorgänge der Kunde wie an einem Geldautomaten ausführen konnte.

Die Projektmitarbeiter Julia Erdogan und Thomas Kasper sitzen an einem Revival des BTX-Systems, eines frühen Informationsnetzwerkes der Deutschen Post.

Die Projektmitarbeiter Julia Erdogan und Thomas Kasper sitzen an einem Revival des BTX-Systems, eines frühen Informationsnetzwerkes der Deutschen Post. Foto: Frank Bösch

Darüber hinaus gab es zahlreiche alte Technik in Aktion zu erleben. Dies reichte von einer PDP11 aus dem Jahr 1970, die wir selbst programmieren durften und zum Abspielen einer Leuchtreihenfolge brachten. Vorgestellt wurde  sie von Thomas Höffken und Jörg Hoppe, Mitglieder des Computer Cabinet Göttingen. Die PDP11 war eine der leistungsstärksten und flexibelsten Rechner seiner Zeit. Besonders unter Wissenschaftler war er weit begehrter als die respektiven IBM-Geräte. Eingesetzt wurde sie vor allem als Steuerrechner – auch im Ostblock, wo es zahlreiche Nachbauten gab. Die Recheneinheit der PDP war derartig flexible, dass sie bis weit in die 1990er-Jahre noch in Taschenrechnern eingesetzt wurde. Begeisterung bei den Projektmitarbeitern löste auch eine Implementierung des BTX-Systems der Deutschen Post aus den 1980er-Jahren aus, mit der einige der alten Seiten aufgerufen werden konnte. Unter anderem war die BTX-Webseite des Chaos Computer Clubs abrufbar und gab so einen wertvollen Einblick in die Selbstpräsentation organisierter Hacker.

Von: Martin Schmitt und Julia Erdogan

Julia Erdogan gewinnt History Slam

Ohne zu hacken, dafür mit einer tollen Performance: Julia Erdogan (6. v. l.), Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am ZZF Potsdam in  unserem Projekt „Aufbrüche in die digitale Gesellschaft“, gewann am 24. September 2014 den ersten HistorySlam in der Geschichte des Historikertages. In einer knappen Stichwahl setzte Sie sich gegen Marco Helbig durch, der durch seine gerappte Stadtgeschichte Leipzigs das Publikum ebenso zu begeistern wusste. Auch im Jurypreis sahnte Julia Erdogan ab: Sie erhielt den 2. Platz in der Gesamtwertung. Der Historikertag fand vom 23.-26. September 2014 in Göttingen statt.

Bildquelle: Twitter @historikertag pic.twitter.com/BiV4SSYto